In geradezu atemberaubender Regelmäßigkeit erfährt die Öffentlichkeit nun, wie es hinter den Kulissen der größten Partei Österreichs abläuft. Durch mehr als 35 Jahre Regierungsbeteiligung auf Bundesebene, vor allem aber aufgrund einbetonierter Machtverhältnisse in den Bundesländern (allen voran Tirol und Niederösterreich) benimmt sich die ÖVP längst schon, als gehöre ihnen die Republik. Es werden Posten und Pöstchen vergeben, wenn eine einzige Bedingung erfüllt ist – die Nähe zur Partei.

Das Wording, mit dem sich ProtagonistInnen wie Sebastian „wie hetze ich ein Bundesland auf?“ Kurz, Gernot „ich bin kurz mit dem Laptop Gassi!“ Blümel, Wolfgang „L´etat c’est moi!“ Sobotka, Thomas „Dickpic“ Schmid oder, neu in dieser Riege, Johanna „Gsindl“ Mikl-Leitner bedienen, überrascht nicht.
Es ist eine eintrainierte, von Kindesbeinen an gelernte, Abneigung gegen jede und jeden, die nicht dem Partei- oder Cliquenstandard entspricht. Dass sich diese Abneigung gerade bei den historischen Gegnern der Sozialdemokratie in blanken Hass entlädt, ist ebenso nicht neu und historisch bedingt.

Als der erste Weltkrieg zu Ende ging, fanden sich zigtausende Menschen in diesem Land orientierungslos wieder. War man für Jahrhunderte treue Diener des Adels und des Klerus gewesen, so plumpste das Land quasi über Nacht in die Demokratie. Alte Hierarchien galten plötzlich nichts mehr, die Stimme jeder einzelnen wahlberechtigten Person war mit einem Schlag gleich viel wert wie die (vermeintlich) eigene langjährige und durch Geburts- oder Erbrecht zementierte „Wichtigkeit“.
Geschichts-interessierte Menschen wissen, was danach in der ersten Republik geschah: Ab dem Brand des Justizpalastes waren die Fronten zwischen der Sozialdemokratie und der „Christlich-Sozialen Partei“, kurz „CS“, nicht nur verhärtet, sondern unrettbar zerrüttet. Es folgten Bürgerkrieg, „Schutzhaft“, Dollfuss-Diktatur.

Solch Denken kommt jedoch nicht von ungefähr. Auch, wenn bis 1918 klar abgesteckt war, wer „Pöbel“ und wer „Herr“ ist, so ist es der menschlichen Psyche geschuldet, dass Extravaganzen wie jenseitiger Chauvinismus überhaupt existieren. Die Geschichte lehrt uns ebenso, wie kleinste Handwerker oder Beamte in kurzer Zeit zu Massenmördern wurden, kaum, dass ihnen Macht geschenkt war.
Entweder man tendiert zu Macht und deren Missbrauch oder nicht. Wenn ein Mensch egoistisch handelt, ist es abseits von existentieller Not dringendes Indiz dafür, dass Macht nicht das Ziel dieses Menschenschlags sein darf. Nur wer Macht um der Macht willen anstrebt, wird diese auch missbrauchen.

Rechte Parteien leben aber von Macht und Chauvinismus. Ideologisch schwärmen Menschen dieser politischen Richtung nach Hierarchien und einem simplen Weltbild, optimal unterteilt in „Freund“ und „Feind“: Sowie solche Personen die Hebel in die Hand gedrückt kriegen, ist es daher logisch, wenn sie ihrer Mentalität freien Lauf lassen und ihre einfache Sichtweise in Taten umsetzen.
So war es daher klar, dass es irgendwo auf der Welt irgendwann mal eine Zäsur wie den Nationalsozialismus geben musste. Ein Lehrstück dessen, was passiert, wenn die Falschen das absolute Sagen haben.

Um zur ÖVP zu gehören, braucht es daher auch ein wenig „Talent“ in dieser Richtung. Niemand, dem das Allgemeinwohl über das eigene Befinden geht, wird sich daher bei einer ÖVP oder FPÖ finden. Parteien des rechten Spektrums leben schließlich von der ewig aufgewärmten Suppe des „Wir gegen die“, wobei das „die“ eine freie Variable ist, die jederzeit austauschbar ist (Sozen, Ausländer, Flüchtlinge …). Einerseits schüren diese Parteien ein „Wir“ hoch, wobei es (fast) ausschließlich Menschen sind, die aus egoistischen Motiven in diesen Fraktionen arbeiten. Dass ein Staat allerdings ein dynamisches Kuddelmuddel aus unzähligen verschiedenen Geschichten und Milieus ist, wird zur Seite gewischt. Schließlich will man reüssieren und Karriere machen. Das Wohl der Allgemeinheit? Wenns sein muss …
So passiert es auch fast nur in rechten oder rechtsextremen Parteien auf der ganzen Welt, dass Populisten lauthals das Blaue vom Himmel versprechen (um dem Eigenzweck zu dienen). Nur um relativ kurze Zeit danach als Schaumschläger aufzufliegen. Dabei wäre es nur klug von uns allen, Politiker nach dem zu bewerten, was sie zuvor getan haben. Wenn jemand aus der Kaste der Manager in die Politik geht, kann man zum Beispiel ziemlich sicher davon ausgehen, dass man es mit einem ziemlich abgebrühten Egomenschen zu tun hat. Anders ist die Karriere der oder des Betroffenen nicht zu erklären, schließlich wird man nicht Manager, weil man so freundlich grüßt.
Dies sollte den WählerInnen zu jeder Zeit bewusst sein, wenn sie sich selbst als „mündig“ bezeichnen wollen. Man darf auch nicht von jemandem, der durch ständige Nächstenliebe glänzt, erwarten, dass er beinharte Entscheidungen über Schicksale hinweg einfach so fällt. Der persönliche Hintergrund ist daher in der Politik ein monumentaler Faktor bei der Bewertung der politischen Zukunft! Persönlichkeiten ändern sich nicht über Nacht. Weder in der Politik noch bei uns selbst.

Zu glauben, ein Sebastian Kurz, dessen Karriere bis zum Eintritt in die Spitzenpolitik niemals aus Entbehrung und ausschließich dem eigenen Vorteil dienlich war, entdecke plötzlich die Philanthropie und regiert für alle Menschen, ist naiv. Aber das erklärte ich schon vor Jahren.
Die ÖVP wurde in den letzten Jahrzehnten (Wolfgang Schüssel war der Dammbruch der Amoral) zum Hort eigensinniger Karrieristen, die sich auch nicht scheuen, ihre Freunde auf der Stelle fallen zu lassen, wenn es dem eigenen Wohle dient. Anders als die FPÖ, die sich rein durch anachronistisches Nationaldenken und dem ständigen Gefühl der eigenen Benachteiligung, gemixt mit dem Wunsch nach Überhöhung, auszeichnet und dementsprechend unwürdig für jedes seriöse Parlament agiert, sind die Menschen in der ÖVP klüger.
Das macht sie aber gefährlicher, weil sie nach Kalkül arbeiten und kein moralisches Problem darin sehen, Armut zu ignorieren oder gar zu verschärfen, wenn der Profit stimmt.

Dass Mikl-Leitner Sozialdemokraten zutiefst verachtet, ist nicht aus ihrem Mund alleine zu betrachten. Es ist das Weltbild einer Partei, deren Historie fast nur aus Hass auf andere besteht. Hass, der bei Erhaltung von Macht auch ausgeübt wird. Zwar nicht (mehr) mit den Instrumenten der Gewalt, aber mit gerissener Politik, die nur den eigenen Interessen nützt, während der Rest ausblutet.

Ich richte mich daher an die WählerInnen von ÖVP und FPÖ: Es mag sein, dass das Weltbild der gehassten „Linken“ nicht das Eigene ist. Das ist völlig legitim, vor allem in einer Demokratie. Nur möchte ich zu Bedenken geben, dass die Förderung des Egoismus auf Staatsebene in der Geschichte ausnahmslos zu Konflikten und Verlierern auf allen Seiten führte. Ist ein Mensch getrieben davon, das eigene Wohl über das anderer zu stellen, kann es nur schiefgehen, wenn ich diesem Menschen Macht schenke. Natürlich wird Macht missbraucht, sowie solche MitbürgerInnen die Möglichkeit dazu haben.

Abgesehen davon, dass die ÖVP für jegliche parlamentarische Arbeit in allen Ebenen mittlerweile alle moralischen Berechtigungen verlor, immerhin erleben wir ein Sittenbild, welches selbst bei kleinen Fußballvereinen schwere Konsequenzen nach sich zöge, ist es unser aller Pflicht in Zukunft, abzuwägen, welche Charaktere wir an die Hebel der Staatsmacht hieven. Tun wir das nicht, könnten wir eines Tages ebenso böse erwachen wie die Menschen im Deutschland des Jahres 1933. Denn erklimmt einmal jemand, der üble Absichten hegt, Macht, gibt er sie so schnell nicht wieder her.

Darin waren die Nazis gut wie die Faschisten. Die Republikaner der USA klammern sich seit Trump mit größtmöglicher Niedertracht an ihre Pfründe und kümmern sich nicht um die grassierende Verelendung der Bevölkerung. Der 6. Jänner 2021 (Sturm aufs Kapitol) war nur logische Folge.

Ich will nicht reziprok zu unseren demokratischen Werten unsere zwei Rechtsparteien generell brandmarken. Einzig und alleine aufmerksam will ich machen, dass politische Parteien auf dem rechten Teil der politischen Landkarte leichter zu Hybris und Machtmissbrauch tendieren als jene der Gegenseite. Deshalb sollte man bei jeder Wahl, auch nur bei der zum Schulsprecher, das psychologische Profil der KandidatInnen nie vergessen.

Wählen wir deshalb in Zukunft bitte mit Bedacht, nicht emotional!